Kapitel 2: Ankunft und erste Eindrücke
Als das Flugzeug auf der Landebahn in Boston aufsetzte, spürten Sonja und Erik eine Mischung aus Erleichterung und Anspannung. Die letzten Stunden im Flieger waren eine Mischung aus Vorfreude und Nervosität gewesen. Jetzt, da sie wirklich hier waren, schien die Welt plötzlich größer, fremder.
Schon die Ankunft am Flughafen Logan International war ein Kulturschock. Die schiere Größe des Terminals und das unablässige Gewusel überwältigten beide. Amerikaner schienen ständig in Bewegung, freundlich und laut, aber irgendwie auch distanziert. Erik beobachtete einen Mann, der mit dem Taxifahrer Small Talk machte, als hätten sie sich ewig gekannt. Sonja jedoch bemühte sich, die englischen Gespräche um sie herum zu entschlüsseln. Lippenlesen funktionierte hier nicht so leicht wie in Deutschland – der Akzent und die schnellen, oft verschluckten Worte machten es schwierig.
„Wow, das ist… viel“, sagte Erik, als sie endlich mit ihren Koffern vor dem Ausgang standen. Die Stadt erstreckte sich vor ihnen in einer Mischung aus Hektik und Struktur.
Sonja nickte. „Ja, irgendwie alles größer, oder? Die Autos, die Straßen, sogar die Menschen wirken… lauter.“
Eine halbe Stunde später saßen sie in einem Uber, das sie zum Campus bringen sollte. Der Fahrer sprach ununterbrochen – eine Mischung aus Empfehlungen zu Restaurants, Geschichten aus seinem Leben und Fragen, die Sonja mit einem nervösen Lächeln beantwortete. Erik übernahm das meiste Reden, doch auch ihm war anzusehen, dass er sich bemühte, die Höflichkeit aufrechtzuerhalten.
Der Campus der Universität war atemberaubend. Historische Gebäude aus Backstein reihten sich an moderne Glasfassaden. Der Park war riesig und voller Studierender, die sich in Gruppen auf dem Rasen unterhielten oder auf Skateboards über die breiten Wege fuhren. Erik konnte nicht anders, als zu staunen.
„Das sieht aus wie in einem Film“, sagte er leise.
Sonja nickte, doch ihre Augen suchten noch immer die Münder der Menschen, um wenigstens ein paar Worte zu entziffern. Es frustrierte sie, dass sie nicht so schnell zurechtkam, wie sie gehofft hatte.
Am Nachmittag bezogen sie ihre Zimmer in einem Studentenwohnheim. Die Einrichtung war funktional, wenn auch spartanisch, aber der Ausblick aus dem Fenster entschädigte für vieles. Erik packte sofort seine Sachen aus, während Sonja eine kurze Nachricht an Lizzy schrieb: Wir sind angekommen. Es ist unglaublich hier – groß und chaotisch. Ich melde mich, sobald ich mich etwas eingelebt habe.
Am Abend wagten sie sich in die Mensa. Die Auswahl überforderte sie beide: von Pizza über Burger bis hin zu Sushi gab es alles, was das Herz begehrte. Erik schnappte sich einen Teller mit Chicken Wings und Pommes, während Sonja mit einem Salat das Experimentieren vorsichtig anging.
„Hier gibt es wirklich alles, was ungesund ist“, scherzte Erik.
Sonja lachte. „Kein Wunder, dass die Leute hier lauter wirken. Wahrscheinlich zu viel Zucker.“
Sie setzten sich an einen Tisch, an dem ein paar Studierende saßen, die sich lebhaft unterhielten. Einer der Jungs, ein Amerikaner mit Baseballkappe, drehte sich zu ihnen um. „Hey, seid ihr neu hier?“ fragte er.
Erik nickte. „Ja, aus Deutschland. Gerade angekommen.“
„Willkommen! Ich heiße Mike. Wenn ihr Fragen habt, fragt einfach“, sagte er mit einem breiten Lächeln.
Sonja lächelte zurück, nickte aber nur. Ihr Englisch war gut genug, um den Satz zu verstehen, aber zu unsicher, um spontan zu antworten. Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, die Worte von Mikes Lippen zu entziffern.
Später, zurück im Wohnheim, sprach Erik ihre Frustration an. „Ich sehe, dass es dir schwerfällt, aber das wird besser, Sonja. Es ist nur der Anfang. Die Leute hier sind nett und geduldig.“
Sonja nickte, ihre Augen ernst. „Ich weiß. Es ist nur… anders. Ich habe gedacht, ich wäre besser vorbereitet. Aber das hier ist ein ganz neues Level.“
Erik legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Wir schaffen das. Wir haben schon ganz andere Herausforderungen gemeistert, oder?“
Ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ja, das haben wir.“