Kapitel 4: Ein Zuhause finden
Das Apartment lag in einem der neueren Gebäude des Campus und wirkte auf den ersten Blick wie eine perfekte Lösung: geräumig genug für zwei Personen, eine kleine Küche, ein Wohnzimmer mit Blick auf den Park und zwei getrennte Schlafzimmer. Doch kaum hatten Sonja und Erik ihre Koffer abgestellt, begann die Realität des gemeinsamen Wohnens.
„Erik, hast du meine Tasche verschoben?“ fragte Sonja, als sie die Ecke absuchte, in der sie ihre Tasche am Abend zuvor abgestellt hatte.
„Welche Tasche?“ Erik schaute von seinem Laptop auf, den er bereits auf dem Küchentisch aufgestellt hatte.
„Die schwarze. Die mit meinen Notizbüchern,“ erwiderte Sonja, die den Raum durchkämmte. „Ich hatte sie direkt hier abgestellt.“
„Oh, die steht da hinten,“ sagte Erik und deutete auf die Ecke neben der Couch. „Sie war im Weg.“
Sonja starrte ihn an. „Im Weg? Das ist unser gemeinsames Wohnzimmer. Du kannst nicht einfach meine Sachen verschieben, ohne mich zu fragen.“
Erik seufzte. „Ich wollte nur Platz schaffen. Mach doch nicht so ein Drama draus.“
Sonja verschränkte die Arme. „Das hat nichts mit Drama zu tun. Es geht darum, respektvoll miteinander umzugehen.“
Das war nur der erste von vielen kleinen Konflikten. Erik hatte die Angewohnheit, seinen Wecker mehrmals morgens snoozen zu lassen, was Sonja zur Weißglut brachte. Sie hingegen liebte es, abends lange mit Musik oder Podcasts zu entspannen, was Erik beim Einschlafen störte.
Ein besonders hitziger Moment entstand, als Sonja eines Morgens in die Küche kam und ihre sorgfältig geordnete Gewürzsammlung in einem chaotischen Durcheinander vorfand.
„Erik! Was ist mit meinen Gewürzen passiert?“ rief sie aus.
Erik sah von seinem Kaffee auf. „Ich habe nur die Behälter sortiert, damit sie besser in den Schrank passen. Sie standen überall herum.“
Sonja atmete tief durch. „Ich hatte sie in einer bestimmten Reihenfolge. Jetzt muss ich alles neu sortieren.“
Erik zuckte mit den Schultern. „Es sind nur Gewürze. Reg dich nicht so auf.“
Sonja hielt inne, ihre Lippen fest zusammengepresst. Sie wusste, dass sie explodieren könnte, aber sie entschied sich für einen anderen Ansatz. „Erik, wir müssen reden. So funktioniert das nicht.“
Am Abend setzten sie sich zusammen. Zwischen ihnen stand ein Block Papier, auf dem Sonja bereits eine Liste angefertigt hatte.
„Okay,“ begann sie, „wir beide haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wie wir leben wollen. Das ist normal, aber wir müssen uns absprechen, sonst wird das hier nicht funktionieren.“
Erik lehnte sich zurück. „Klingt fair. Was hast du im Kopf?“
„Zum Beispiel: Wenn du etwas im Wohnzimmer verschieben willst, sag mir vorher Bescheid. Und ich verspreche, abends Kopfhörer zu benutzen, wenn ich Musik höre,“ erklärte Sonja.
Erik nickte. „Klingt gut. Ich kann auch versuchen, meinen Wecker leiser zu stellen oder ihn direkt auszumachen, wenn er klingelt.“
Nach einer Stunde intensiven Gesprächs hatten sie eine Liste von Regeln und Kompromissen erstellt. Beide waren sich bewusst, dass es Zeit brauchen würde, bis alles reibungslos lief, doch sie fühlten sich optimistisch.
Am nächsten Morgen kam Sonja in die Küche und fand einen kleinen Zettel neben der Kaffeemaschine.
„Danke, dass du mit mir geredet hast. Wir kriegen das hin. – Erik“
Sonja lächelte. Vielleicht war das gemeinsame Leben schwieriger, als sie gedacht hatten, aber sie wusste, dass sie und Erik es schaffen würden – Schritt für Schritt.