Kapitel 6: Der erste Rückschlag
Die Stimmung war gedrückt, als Erik in sein Zimmer kam und sich auf das Bett fallen ließ. Die Programmieraufgabe, an der er den ganzen Tag gearbeitet hatte, lag wie ein schwerer Stein in seinem Kopf. Keine seiner Lösungen hatte funktioniert, und als der Professor seine Ergebnisse vor der Klasse analysierte, hatte Erik das peinliche Gefühl, dass alle Augen auf seine Fehler gerichtet waren. Es war das erste Mal, dass er sich so unterlegen fühlte.
Sonja, die an ihrem Schreibtisch saß, bemerkte seinen Zustand sofort. „Alles okay?“ fragte sie, doch Erik schüttelte nur den Kopf.
„Es ist einfach nicht genug. Egal, wie sehr ich mich anstrenge, ich komme einfach nicht mit,“ sagte er mit einem resignierten Tonfall.
Sonja wollte etwas Tröstendes sagen, doch ihre eigenen Gedanken waren ebenfalls von Selbstzweifeln geprägt. In ihrer Gruppenarbeit war sie für mangelnde Kommunikation kritisiert worden. Die Teammitglieder hatten sie als unzuverlässig empfunden, weil sie nicht immer mit ihren Beiträgen hinterhergekommen war. Das Feedback war harsch und direkt gewesen, und Sonja hatte das Gefühl, dass ihre Taubheit eine unsichtbare Barriere schuf, die sie nicht überwinden konnte.
Später am Abend saßen die beiden gemeinsam auf dem Sofa und teilten ihre Frustrationen.
„Vielleicht war es ein Fehler, hierherzukommen,“ sagte Erik schließlich. „Wir hätten einfach in Deutschland bleiben sollen. Dort waren wir gut, dort hatten wir einen Platz.“
Sonja schaute ihn an und nickte langsam. „Ich habe auch daran gedacht. Es fühlt sich an, als wären wir hier… kleiner. Als würden wir nicht dazu gehören.“
Die Stille zwischen ihnen war schwer, doch sie war auch ein geteiltes Verständnis. Beide wussten, dass sie in ihrer alten Umgebung immer die Besten gewesen waren. Hier jedoch waren sie Teil eines Pools von talentierten, ehrgeizigen Menschen aus der ganzen Welt. Der Vergleich war unausweichlich, und er war schmerzhaft.
Am nächsten Tag hatte Sonja ein Gespräch mit ihrem Professor, der ihr ein gemischtes Feedback zu ihrer Arbeit gab. „Sie haben Potenzial, aber Sie müssen lernen, besser mit Ihrem Team zu kommunizieren. Nutzen Sie Ihre Stärken und sprechen Sie offen über Ihre Herausforderungen. Ihre Perspektive ist wichtig, aber sie kommt nicht immer klar rüber.“
Diese Worte blieben bei ihr hängen. Sie spürte, dass es nicht nur um fachliche Kompetenz ging, sondern auch darum, wie sie sich in diese neue Welt einfügte.
Erik beschloss, einen Kommilitonen anzusprechen, den er in der Vorlesung oft Fragen stellen sah. Zu seiner Überraschung war der andere Student freundlich und erklärte ihm die Aufgabe in einer Weise, die ihm plötzlich klar wurde. Es war eine kleine, aber wichtige Lektion: Er musste lernen, um Hilfe zu bitten.
Am Ende der Woche saßen Erik und Sonja wieder zusammen, dieses Mal mit einem Hauch von Zuversicht. „Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, Fehler zu machen“, sagte Sonja. „Es zeigt uns, dass wir noch wachsen können.“
Erik nickte. „Und vielleicht bedeutet das, dass wir lernen, Teil von etwas Größerem zu sein, anstatt immer nur die Besten zu sein.“
Die beiden lächelten schwach. Der Weg vor ihnen war noch lang, aber sie waren bereit, ihn gemeinsam zu gehen.