Kapitel 12: Eine Entscheidung rückt näher
Selina stand vor dem Eingang der Cybercities, einem unscheinbaren Aufzug, der fast unbemerkt in die Umgebung integriert war. Ihre Augen suchten die Details ab, doch alles schien darauf ausgelegt zu sein, nicht aufzufallen. Dieser Moment war endgültig – der Zugang zu den Cities war unumkehrlich. Sobald sie eintrat, würde sie die erste Bürgerin der Cybercities werden. Die Luft war überraschend frisch, dank der ausgeklügelten Belüftungssysteme, die die unterirdische Stadt mit Sauerstoff versorgten. Alles an diesem Ort wirkte wie eine Vision der Zukunft, und doch spürte Selina die Verantwortung, die mit diesem Fortschritt einherging.
Eine Drohne schwebte heran, projizierte ein holografisches Willkommen und zeigte ihr den Weg zu einem unscheinbaren Pfad, der von hohen, üppigen Pflanzen flankiert wurde. Selina folgte den Anweisungen, während sie die Umgebung aufnahm. Der Weg führte durch einen weitläufigen unterirdischen Garten, in dem die Luft angenehm kühl war und das leise Plätschern von Wasserfontänen zu hören war. Die Pflanzen, eine Mischung aus exotischen Gewächsen und biotechnologisch verbesserten Arten, schienen im sanften Licht zu glühen. Selina bemerkte, wie die Natur hier mit der Technologie verschmolzen war – Drohnen schwebten über die Beete, um die Pflanzen zu pflegen, und kleine, leuchtende Leitungen wanden sich wie Adern durch den Boden. Die Umgebung wirkte ruhig, aber lebendig, als ob sie auf eine neue Ära wartete.
Selina trat in den unscheinbaren Aufzug und atmete tief durch, als die Türen sich schlossen. Der leise Summton begleitete ihre Fahrt in die Tiefe, und sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug. Als sich die Türen öffneten, wurde sie von einer stillen, futuristischen Welt empfangen. Keine Menschen, nur das Summen von Drohnen und der sanfte Lichtschein der automatisierten Systeme. Alles hier schien darauf ausgelegt zu sein, ein neues Leben zu ermöglichen – eines, das Freiheit und Verantwortung miteinander verband. Während Selina durch die verlassenen Straßen ging, wurde ihr bewusst, dass dieser Schritt nicht nur für sie selbst bedeutend war, sondern für alle, die irgendwann folgen würden. Die Leere verstärkte die Schwere ihrer Entscheidung.
Später, zurück in der Nova-Zentrale, war die Stimmung angespannt. Die anderen Parkhüter warteten auf sie, und die Luft war erfüllt von Unruhe. Kevin sprang von seinem Stuhl auf, als Selina hereinkam. „Du hast es getan, oder? Du bist wirklich in die Cybercities gegangen!“ Seine Stimme zitterte vor Wut.
Selina zog ihren Mantel aus, legte ihn über die Stuhllehne und nickte ruhig. „Ja, ich war dort. Und ja, ich bin jetzt die erste Bürgerin der Cybercities.“
„Wie konntest du?“ fuhr Kevin sie an. „Das war nicht deine Entscheidung allein! Wir hätten das zusammen besprechen müssen!“
„Ich verstehe eure Wut,“ sagte Selina, ihre Stimme ruhig, aber fest. „Aber ich musste es tun. Ich musste sehen, was dort möglich ist. Und ich kann euch sagen: Es ist real. Es ist mehr als eine Vision – es ist unsere Zukunft.“
Harald verschränkte die Arme und blickte sie mit scharfem Blick an. „Das mag sein, aber was gibt dir das Recht, diese Entscheidung allein zu treffen? Wir sind ein Team, Selina. Du hast uns außen vor gelassen.“
Selina hielt dem Blick stand. „Ich weiß, dass es egoistisch erscheint. Aber manchmal muss jemand den ersten Schritt machen, um den Weg zu zeigen. Die Cybercities sind kein Traum. Sie sind eine echte Chance. Aber ich wusste, dass ich es selbst erleben musste, bevor ich euch davon erzählen konnte.“
„Und die Schwachstellen?“ fragte Harald nach einer Weile, seine Stimme etwas weicher. „Was ist mit den Problemen, die wir immer wieder angesprochen haben?“
„Es gibt Schwachstellen,“ gab Selina zu. „Kein System ist perfekt. Aber diese Städte sind so flexibel, dass sie sich anpassen können. Es liegt an uns, wie wir sie gestalten.“
Kevin schüttelte den Kopf, seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Du sprichst, als ob du schon entschieden hättest, dass wir alle dorthin gehen. Aber was, wenn wir das nicht wollen? Was, wenn wir bereit sind, hier in Aurora zu bleiben?“
Selina trat einen Schritt näher, ihre Augen funkelten entschlossen. „Dann ist das eure Wahl. Aber denkt darüber nach: Wenn wir nie den Mut haben, etwas zu verändern, bleiben wir stehen. Was wir in Aurora geschafft haben, war großartig. Aber die Cybercities geben uns die Chance, noch mehr zu erreichen.“
Harald nickte langsam. „Vielleicht hat sie recht. Wir haben in Aurora bewiesen, dass wir Herausforderungen meistern können. Die Cybercities sind der nächste Schritt – und ja, es wird schwierig. Aber es ist machbar.“
Isabella, die bisher geschwiegen hatte, hob den Kopf. „Wir müssen uns fragen, ob wir bereit sind, unser Zuhause aufzugeben, um etwas Größeres zu schaffen. Aurora hat uns geformt. Aber was, wenn die Cybercities uns weiterentwickeln?“
Kevin ließ sich auf seinen Stuhl fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. „Ich weiß nicht. Es ist so viel auf einmal.“
Selina legte eine Hand auf seine Schulter. „Es ist okay, Zeit zu brauchen. Aber denk darüber nach, Kevin – nicht nur, was du verlieren könntest, sondern auch, was du gewinnen könntest.“
Die Gruppe saß eine Weile schweigend zusammen, jeder in Gedanken vertieft. Schließlich stand Harald auf. „Ich denke, ich muss die Cybercities selbst sehen. Vielleicht verstehe ich es dann besser.“
Selina lächelte schwach. „Das solltest du. Es ist schwer, eine Entscheidung zu treffen, ohne sie mit eigenen Augen gesehen zu haben.“
Die Sitzung endete, und die Parkhüter verließen den Raum, jeder mit der Last der Entscheidung auf seinen Schultern. Selina blieb zurück, blickte aus dem Fenster und dachte an die unterirdischen Städte. Sie wusste, dass sie eine schwierige Wahl getroffen hatte, doch sie war überzeugt, dass es die richtige war. Es lag nun an den anderen, ihren eigenen Weg zu finden.