Kapitel 3: Zweifel und Diskussionen
Die Sonne hing tief über dem Horizont, als die Parkhüter mit einem kleinen Elektroboot die Insel Merkur erreichten. Die winzige Insel, kaum größer als ein Fußballfeld, war Isabellas persönlicher Rückzugsort. Eine schlichte Blockhütte stand am Rande eines kleinen Waldes, umgeben von einem schmalen Streifen Sandstrand. Das leise Rauschen der Wellen und das Zwitschern der Vögel schufen eine friedliche Atmosphäre, die im Kontrast zu den hitzigen Diskussionen stand, die bald folgen sollten.
Isabella öffnete die Tür zur Hütte und trat ein. Der Raum war gemütlich eingerichtet: ein kombinierter Wohn- und Schlafbereich mit einem kleinen Sofa, einem Bücherregal und einem schmalen Bett an der Wand. Eine Pantryküche schloss sich an, in der ein einfacher Wasserkocher und ein Miniherd standen. Das Badezimmer war klein, aber funktional. Sie drehte sich um und nickte den anderen zu. „Kommt rein, es ist eng, aber es reicht.“
Die Gruppe verteilte sich im Raum. Selina lehnte sich gegen die Küchenzeile, während Kevin einen Platz auf dem Sofa einnahm. Harald setzte sich auf einen der wenigen Holzstühle, die Isabella aufgestellt hatte. Isabella selbst blieb an der Tür stehen, ihre Arme vor der Brust verschränkt.
Kevin brach die Stille, während er aus dem Fenster zum Wasser hinausblickte. „Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber ich habe meine Zweifel. Diese Städte… sie sind beeindruckend, aber sie fühlen sich nicht echt an.“
Isabella nickte langsam, ihre Stimme war ruhig. „Ich fühle das Gleiche. Es ist schwer vorstellbar, dort zu leben. Alles ist so durchdacht, so perfekt. Was passiert, wenn wir versagen? Was passiert, wenn wir diese Perfektion zerstören?“
Selina seufzte hörbar und trat einen Schritt vor. Ihre Augen funkelten mit Entschlossenheit. „Das ist genau der Punkt, Isabella. Wir können sie nicht zerstören, weil sie von uns geschaffen werden. Diese Städte sind keine Maschinen, die ohne uns funktionieren. Sie sind ein Werkzeug – und es liegt an uns, sie richtig zu nutzen.“
„Aber ist das nicht genau das Problem?“ warf Kevin ein. „Sie haben uns als Versuchskaninchen ausgewählt. Alles, was wir tun, wird analysiert und bewertet. Was, wenn wir nur Teil eines größeren Plans sind, den wir nicht verstehen?“
Selina stieß ein raues Lachen aus. „Und was wäre so schlimm daran? Kevin, wir waren schon immer Teil von etwas Größerem – zuerst Mystery, dann Aurora. Das ist nichts Neues. Aber diesmal haben wir die Chance, wirklich zu gestalten, statt nur zu reagieren.“
Isabella ließ sich auf den Rand des Bettes sinken und verschränkte die Hände. „Vielleicht. Aber ich kann diesen Gedanken nicht abschütteln, dass wir die Verbindung zu uns selbst verlieren könnten. Alles wirkt so… künstlich. Wo ist die Spontanität? Wo ist das Chaos, das uns menschlich macht?“
Harald, der bisher geschwiegen hatte, hob die Hand, um Ruhe zu schaffen. „Ich denke, beide Seiten haben recht. Selina hat recht, dass wir diese Städte formen können. Aber Isabella und Kevin haben auch recht, dass Perfektion beängstigend ist. Vielleicht liegt die Lösung irgendwo dazwischen.“
Die Gruppe verstummte für einen Moment, bevor Selina wieder das Wort ergriff. Ihre Stimme war weicher, doch ihr Eifer blieb. „Ich verstehe eure Zweifel. Aber überlegt mal: Wir haben in Aurora gezeigt, dass wir mit Verantwortung umgehen können. Warum sollten wir das nicht auch in den Cybercities schaffen? Wir müssen aufhören, uns von unseren Ängsten zurückhalten zu lassen.“
Kevin schüttelte den Kopf, ein Ausdruck von Frustration auf seinem Gesicht. „Es geht nicht nur um Angst, Selina. Es geht darum, ob das der richtige Weg ist. Vielleicht sollten wir einfach hierbleiben. Aurora funktioniert, und wir wissen, wie es läuft.“
„Funktioniert es wirklich?“ fragte Selina und trat näher an Kevin heran. Ihre Stimme wurde intensiver. „Aurora ist ein Übergangsort. Das wissen wir alle. Es wurde nie für die Ewigkeit gebaut. Was passiert, wenn wir hierbleiben und nichts tun? Wir stagnieren. Und das ist das Ende von allem.“
Isabella blickte auf den Boden, ihre Finger spielten nervös mit dem Saum ihrer Jacke. „Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist Stillstand schlimmer als Scheitern. Aber trotzdem… ich brauche Zeit, um mich an den Gedanken zu gewöhnen.“
Harald, der die Interaktion beobachtet hatte, stand auf und blickte in die Runde. „Es ist gut, dass wir das hier besprechen. Zweifel sind wichtig, weil sie uns helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. Aber wir dürfen uns von ihnen nicht lähmen lassen. Ich schlage vor, dass wir uns Zeit nehmen, über alles nachzudenken. Wir müssen nicht jetzt entscheiden, aber wir müssen ehrlich zu uns selbst sein.“
Die Gruppe nickte zustimmend, und eine schwere, aber nachdenkliche Stille legte sich über den Raum. Selina setzte sich schließlich neben Isabella und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Wir schaffen das. Gemeinsam. Egal, wie wir uns entscheiden.“
Kevin sah die beiden an und seufzte leise. „Vielleicht hast du recht, Selina. Aber ich werde mir trotzdem noch meine eigenen Gedanken machen.“
Als die Gruppe die Hütte verließ, begannen die Sterne am Himmel zu leuchten. Der sanfte Klang der Wellen und die Ruhe der Insel Merkur boten einen Kontrast zu den inneren Konflikten der Parkhüter. Jeder trug seine eigenen Fragen und Zweifel mit sich, doch sie waren sich einig, dass der Weg in die Cybercities nicht einfach sein würde. Es war ein Schritt ins Unbekannte – ein Schritt, der Mut verlangte, aber auch eine Chance auf etwas Neues bot.