Kapitel 6: Konflikte im Cyberforum

Das Cyberforum war an diesem Abend bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Parkhüter saßen in einem Halbkreis um den großen, runden Tisch, während das holografische Modell der Cybercities über ihnen schwebte. Die Neonlichter des Raums warfen ein kaltes Licht auf ihre Gesichter, das die angespannte Stimmung noch verstärkte. Jeder wusste, dass es heute nicht nur um Worte gehen würde. Es ging um Entscheidungen – und um die Zukunft.

Kevin saß mit verschränkten Armen auf seinem Stuhl, sein Blick war fest auf das Hologramm gerichtet. „Ich verstehe, warum ihr alle so begeistert seid,“ begann er schließlich, seine Stimme ruhig, aber fest. „Die Cybercities sehen beeindruckend aus. Aber was ist mit Aurora? Was passiert mit dem Park, wenn wir alle gehen? Wer kümmert sich um die, die nach uns kommen?“

Isabella nickte langsam. „Ich finde, Kevin hat recht. Aurora hat uns geprägt. Es ist unser Zuhause geworden. Warum sollten wir das alles hinter uns lassen?“

Selina, die bis dahin geschwiegen hatte, lehnte sich nach vorne. Ihre Augen funkelten vor Entschlossenheit. „Aurora war nie als Endstation gedacht. Es war ein Übergang, eine Vorbereitung auf das, was kommt. Die Cybercities sind die nächste Stufe. Wenn wir hierbleiben, stagnieren wir.“

„Stagnation?“ Kevin schnaubte und schüttelte den Kopf. „Das ist eine einfache Art, die Dinge zu sehen, Selina. Vielleicht ist es keine Stagnation. Vielleicht ist es Verantwortung. Jemand muss hierbleiben und sicherstellen, dass Aurora funktioniert.“

„Und was ist mit deiner Verantwortung gegenüber dir selbst?“ fragte Selina scharf und richtete sich auf. „Du redest von Verantwortung, aber hast du dich jemals gefragt, ob du dich einfach nur vor der Veränderung drückst? Vor dem Risiko, etwas Neues zu versuchen?“

Kevins Gesicht wurde rot vor Zorn, doch er hielt sich zurück. „Ich drücke mich nicht. Ich will nur nicht alles, was wir aufgebaut haben, hinter mir lassen. Aurora ist nicht perfekt, aber es funktioniert. Warum alles aufs Spiel setzen für eine Idee, die vielleicht nicht funktioniert? Aurora bleibt doch zugänglich. Wir könnten zurückkommen, wenn etwas schiefgeht – aber wer will das Risiko auf sich nehmen?“

Harald hob die Hand, um die Gemüter zu beruhigen. „Es geht nicht darum, Aurora aufzugeben. Es geht darum, unsere Möglichkeiten zu nutzen. Die Cybercities sind nicht das Ende von Aurora. Sie sind eine Erweiterung – ein neues Kapitel. Außerdem haben wir immer noch Zugang zu Aurora. Es wird nur anders: Wenn wir zurückkehren, müssen wir für Schäden oder Probleme, die wir verursachen, selbst aufkommen. Wir werden schneller erwachsen und lernen, Verantwortung zu übernehmen.“

„Das klingt schön und gut,“ warf Kevin ein, „aber wer garantiert uns, dass diese Verbindung nicht bricht? Es ist leicht, über Fortschritt zu reden, aber wer übernimmt die Verantwortung, wenn wir scheitern?“

Selina verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. Ihre Stimme war leise, aber voller Nachdruck. „Das Risiko gehört dazu. Alles, was wir in Aurora erreicht haben, war ein Risiko. Erinnerst du dich an die Probleme mit der U-Bahn? Die Sabotage an den Servern? Wir haben diese Herausforderungen gemeistert, weil wir zusammengehalten haben. Warum sollte das bei den Cybercities anders sein?“

„Vielleicht, weil es diesmal größer ist,“ sagte Isabella zögernd. „Vielleicht, weil es diesmal nicht nur um uns geht. Es geht um die nächste Generation und darum, ob wir ihnen wirklich etwas hinterlassen, auf das sie bauen können.“

Eine Stille legte sich über den Raum, als diese Worte sanken. Die Parkhüter schienen die Last der Entscheidung auf ihren Schultern zu spüren. Schließlich sprach Harald. „Das ist eine Möglichkeit. Aber wir müssen sicherstellen, dass wir als Gemeinschaft funktionieren, egal, welche Entscheidungen wir treffen.“

Selina seufzte, ihre Frustration war deutlich spürbar. „Ich will nicht, dass wir uns aufteilen. Wir sind stärker, wenn wir zusammenbleiben. Aber wir können nicht einfach stehenbleiben, nur weil wir Angst vor dem Unbekannten haben.“

Kevin sah sie direkt an. „Und was, wenn du dich irrst? Was, wenn die Cybercities mehr kosten, als wir bereit sind zu zahlen?“

Selina hielt seinem Blick stand. „Und was, wenn wir es nie versuchen und uns für den Rest unseres Lebens fragen, was hätte sein können? Ich weiß, dass du Angst hast, Kevin. Aber Veränderung ist Teil des Lebens. Ohne sie gibt es kein Wachstum.“

Harald unterbrach die hitzige Stimmung mit ruhiger Stimme. „Ich schlage vor, wir schlafen eine Nacht darüber. Wir können morgen mit einem klaren Kopf weitersprechen.“

Die Parkhüter standen langsam auf und verließen das Cyberforum, jeder mit seinen eigenen Gedanken. Selina blieb noch einen Moment zurück, ihre Augen auf das Hologramm gerichtet. Sie wusste, dass der Weg nicht leicht sein würde, doch sie war entschlossen, ihre Überzeugung zu verteidigen – für sich selbst und für die Zukunft.

Draußen, im kühlen Abendlicht, gingen die Parkhüter in kleinen Gruppen auseinander. Selina atmete tief durch und blickte zu den Sternen hinauf. Die Diskussion war noch lange nicht vorbei, doch sie spürte, dass sie einen Funken gesetzt hatte. Die Cybercities waren nicht nur eine Idee – sie waren eine Vision. Und sie war bereit, für diese Vision zu kämpfen.